Gipfelversuch I

12.05.2010 Gipfelversuch I - Aufbruch

 

Die wenigen Dinge, die noch nicht in den Hochlagern für den Gipfelversuch bereits liegen, sind recht schnell in der früh gepackt. Bei sonnigem Himmel verabschiedet uns ein leichter Wind und gibt uns einen Vorgeschmack auf später. Wir sind alle guter Dinge und fühlen uns gut erholt für den Gipfelgang. Die Strecke bis C II dauert mittlerweile lediglich 5h.

Zusammen mit uns ist auch die französische Expedition unterwegs. Dabei sind wir durch die Fitness und Leistung der drei Frauen dieser Gruppe sehr beeindruckt. Früh kommen wir auf C II an, um uns ausreichend auszuruhen und mit allen möglichen Getränken und Essen zu stärken. Ich habe das Gefühl, dass ich die Nacht wenig geschlafen habe, aber das ist wahrscheinlich auch nur ein Gefühl. Abmarschzeitpunkt am nächsten morgen ist 7 Uhr.

 

13.05.2010 Gipfelversuch I – Gang zum Makalu La

 

Leider schaffen wir es in der Kälte erst um 8:30 vom C II loszukommen. Der Rucksack ist maximal schwer. Er beherbergt die gesamte Daunenausrüstung, Isomatte, Schlafsack und Verpflegung für 3 Tage. Geschätzt rund 20 kg.

Dieser drückt einen deutlich in den Schnee und in die Fixseile. Die ersten Meter empfinde ich als so schwer, dass ich meine es nicht bis zum Makalu La  schaffen zu können. Langsam bewegen wir uns die Fixseile hinauf bis zum oberen Schneefeld, wo traditionsgemäß Pause gemacht wird. Weiter geht es das schier unendlich lange Schneefeld (ca. 270m) weiter. Es frischt nun auch der Wind auf. Nima und Singhi bleiben im Schnee sitzen – eine unausgesprochene Einladung an mich zu spuren. Nach dem Schneefeld geht es hinauf die Fixseile, deren Blankeispartien diesmal von einer Schicht Schnee überdeckt sind, die das steigen etwas erträglicher macht. Je weiter ich komme, desto stärker ist der Wind. Zuletzt am letzten Fels pfeift mir der Wind schier unerträglich ins Gesicht. Ich bin am Makalu La. Ein Blick zurück lässt mich erkennen, dass Helga und die beiden Träger ca. 15-20 min hinter mir sind. In dieser Düse möchte ich aber nicht warten und gehe weiter auf das Schneefeld wo ich das Lager III erwarte. Es liegen ein Paar mannshohe Bambusstäbe auf dem Weg herum, und ich wundere, mich wer sie hat so liegen lassen. Ich folge der festen windverblasenen Spur und markiere mir den Rückweg mit den umliegenden Stangen. Der Wind pfeift unaufhörlich und ich schaue mich nach einer geschützten Stelle um ........zwecklos.

Nach ein Paar hundert Metern sehe ich zwei große Reisetaschen auf dem Boden liegend und meine Hoffnung auf aufgestellte Zelte, in denen ich kurz Zuflucht vor dem 80-90 km/h starken Wind bekommen könnte, versiegt sofort.

Ich lege meinen Rucksack hinter einem keinen vom Wind gebildeten Schneepilz ab und kauere mich dahinter um dem Wind möglichst geringe Angriffsfläche zu bieten und funken zu können. Nach kurzer Zeit kann ich per Funk den Luis erreichen und schildere ihm die Windlage am Camp III.

Seine Antworten kann ich nicht hören, obwohl er mich gut versteht. Für mich ist jedoch klar, dass der Platz wo ich gerade bin, im Moment sehr menschenunwirtlich ist und ich bekomme Angst hier alleine zu sein. Ohne Schutz.... kein Platz wo man bleiben möchte. Also folge ich den Bambusstangen zurück, wobei ich immer wieder stehenbleiben muss bis die Sicht wieder soweit klar ist, dass ich die nächste ca. 50m weit entfernte Stange sehen kann. Es geht mir auch durch den Kopf, dass bereits mehrere Menschen am Makalu La spurlos verschwunden sind. In diese Reihe möchte ich mich keineswegs einreihen. Ich versuche mich exakt an meine alten Spuren zu halten. Am Felsrand wieder angekommen sehe ich Helga, eine Französin und Tshiering, die mir eindeutig zu verstehen geben, dass es zu windig ist um irgendetwas zu machen. Ich versuche nochmals mit Luis Kontakt aufzunehmen um das weitere zu klären – erfolglos. Zuletzt von der Ratio und den anderen überzeugt machen wir zusammen ein kleines Depot mit Kocher etc. und steigen den Wind voll im Gesicht wieder zurück. Bald haben wir die Haupttruppe erreicht. Es ist klar: Wenn wir jetzt umkehren ist die Möglichkeit für einen Gipfelerfolg Null. Dies ist auch Luis klar, der versucht noch einen Lagerplatz im felsdurchsetzten Gelände zu finden. Eine Hoffnung auf den nächsten Tag schwingt doch noch mit und so lassen Luis, Artur und Klaus ihre Ski oben und wir steigen über die Fixseile ab. Mit schweren Beinen komme ich um 18:30 im C II an wo wir wieder unsere Zelte beziehen. Obwohl ich über den Tag hinweg nur einen PowerGel „gegessen" habe und nur einen halben Liter getrunken habe, möchte ich nichts zu mir nehmen. Trotzdem versuche ich wenigstens so viel Flüssigkeit aufzunehmen, wie nur möglich. Langsam trudeln alle in ihren Zelten ein und versuchen sich etwas auszuruhen. Der weitere Plan ist unklar ... die Tendenz zum Abstieg ist jedoch ausgeprägt. Beim Aufstieg gleich am nächsten Tag würden wir uns körperlich stark verausgaben .... und das Wetter ist immer noch ungewiss. Über Funk vereinbaren wir zunächst, am nächsten Tag das Depot von oben zu holen. Immer wieder schlafe ich beim Schneeschmelzen ein. Die Nacht ist zwar nicht ruhig, aber erholsam.

 

15.05.2010 Abstieg ins ABC

 

Der Morgen bringt immer wieder starke Windböen mit sich und ich verlasse den Gedanken heute noch einmal hochzugehen. Auch die anderen drei sehen davon ab nochmals hochzusteigen um lediglich ihr Depot zu holen. Für Luis fängt nun eine lange Funktirade mit den anderen Expeditionen über das Wetter und das weitere Procedere an. Wir erfahren zuletzt, dass ein  französischer Wetterbericht für 16-18ten sehr gute Gipfelbedingungen vorhersagt und dass die Franzosen auf C II einen Ruhetag einlegen, um am folgenden Tag direkt auf C IV (ca. 7800m) aufzusteigen, was wir jedoch für illusorisch halten.

Für uns ist der Weg klar – Abstieg. Somit ist auch für die, die nicht verlängern können/wollen die letzte Möglichkeit für einen Gipfelerfolg gestorben. Wir bauen C II ab und lassen nebst dem Trägerzelt ein Zelt für Luis, Alix und mich für einen erneuten Gipfelversuch stehen und steigen ins ABC ab. Es wirkt  sonderbar, dass wir bereits gut einen Monat an dem technisch nicht besonders schwierigen Makalu unterwegs sind, bereits 4 mal Richtung Makalu La gegangen sind, bisher jedoch nur Helga und ich tatsächlich auf Makalu La (7400m) waren und trotzdem nun der Besteigungsversuch zu Ende ist. Es fehlen noch geschlagene 1000Hm zum Gipfel ! Im weiteren Verlauf des Tages nimmt die Bewölkung immer weiter zu und man sieht auch deutliche Schneefahnen, die uns unmissverständlich erklären, was wir heute zwischen C III und IV erwartet zu erwarten hätten, wären wir weitergegangen. Ich mache mir immer wieder Vorwürfe ob ich oben die Windgeschwindigkeiten nicht überschätzt habe und somit die Entscheidung umzudrehen falsch beeinflusst habe. Jedoch jedes mal wenn ich mich da wieder hereinversetze komme ich zur Entscheidung, dass wir bei den Windgeschwindigkeiten am Makalu La nichts verloren haben. Auf dem Weg erfahre ich von Chris, dass für den gestrigen Tag Windgeschwindigkeiten von 80-100km/h für Makalu La vorhergesagt wurden – diese konnte ich gut bestätigen.

Nach einer Erfrischung im ABC erhalten wir den Funkspruch, dass die Anja im C II Höhenprobleme habe. Nach zunächst großer Sorge, sind wir jedoch beruhigt. Die Anja ist nur "Leergelaufen" und hat sich nach kurzer Unterstützung mit Trinken und Essen von Fabrizio gut erholt. Trotzdem wird sie am nächsten Tag ins ABC absteigen. Für Alix, Luis und mich geht es noch am Makalu weiter. Die anderen sind aber schon in Gedanken im Abmarsch über die "Colroute" die landschaftlich unheimlich reizvoll sein soll. Morgen ist Packen angesagt und dann geht am Folgetag über East Col, West Col und Amphu Laptsha La in 3 Tagen  ins Khumbu Gebiet zum Flughafen nach Lukla.

 

16.05.2010 Abreise der „Col Gruppe“

 

Typischer Ruhetag, lediglich geht es nicht mehr darum, sich groß zu regenerieren, sondern für die meisten nur noch Sachen zu ordnen. Die meisten aus der Gruppe: Jo, Steffi, Jürgen, Helga, Arthur und Klaus bereiten sich vor über die Col Route abzusteigen. Der Gipfel ist nicht mehr erreichbar.  Am Abend erfahren wir von den Ukrainern, dass sie ihr Lager 5 besetzt haben und für den nächsten Tag einen Gipfelversuch starten wollen. Warum heute Yurii, der Kameramann, mit dem ich mich immer sehr herzlich unterhalten habe, so zurückhaltend ist, ist mir ein Rätsel. Ebenso möchte er keine Auskünfte geben und beschränkt sich auf das notwendigste.

Überrascht sind wir schon, da die Ukrainer sich strickt an Charly Gabl gehalten haben und bei schlechter Wettervorhersage keinen Gipfelgang versuchen wollten. Nun sind alle Camps besetzt und sie warten auf gutes Wetter. Heute hat der Jürgen Geburtstag. Das Geburtstagsständchen fällt etwas besser aus als für den Klaus auf 6800Hm, aber einen Wettbewerb könnten wir damit auch nicht gewinnen. Von der Küche gibt es unter Arthurs Hilfe einen Geburtstagskuchen.

 

17.05.2010 Anja steigt ab - Unser Basislager wird aufgelöst

 

Heute ist Packen angesagt. Die sieben Packen wieder ihre Rucksäcke, die zwischen 16 und 20 kg wiegen. Wie gewohnt zieht sich alles in die Länge, so dass die Truppe erst gegen elf Uhr Richtung East Col abmarschiert. Sie werden rund 4 Tage über mehrere Pässe bis ins Khumbu Gebiet unterwegs sein. Da dieser Weg mit Trägern in dieser Zeit nicht schaffbar wäre und auch Träger die Truppe behindern würden, sind sie alleine unterwegs. Die Route hat sich Jürgen sehr gut von unserem Climbing Cherpa Nima erklären lassen. Nun sind wir zu viert im ABC übrig. Die Anja, die gestern recht spät unter Hüftschmerzen ins ABC kam, plant für den 19ten zusammen mit Ron, einem Teilnehmer der internationalen Expedition von Arnold Coster, mit dem Helikopter herauszufliegen, da sie sich den viertägigen Marsch unter Schmerzen ersparen möchte. Alix, Luis und ich haben mittlerweile uns beim Wettergott Charly Gabl wieder über die Prognosen erkundigt und spekulieren auf den 24sten Mai als Gipfeltag. Da morgen unser Gesamtes Basislager mit den Trägern abtransportiert wird, werden wir ab morgen bei Arnold Coster unterkommen, der uns eingeladen hat. Mich hat wieder etwas Husten überkommen, ich bin aber optimistisch, dass sich dieser bis zum erneuten Gipfelmarsch wieder gibt.

 

18.05.2010 Abreise der „Col Gruppe“

 

Heute ist großer Abbautag. Es ist zunächst sonnig und scheinbar windlos. Heute verlässt uns die Anja, die ins Hillary Basecamp absteigt wo sie am nächsten Tag, zusammen mit einem Teilnehmer der internationalen Expedition von Arnold Coster von einem Hubschrauber nach Lukla zum Flieger gebracht wird. Das Frühstücken im großen Messzelt mutet eigenartig an. Man kommt sich so alleine vor in dem großen Zelt. Nachdem am Vortag bereits die meisten Dinge gepackt wurden fehlen nur noch Kleinigkeiten und das Große Messzelt, das jedoch wider erwarten relativ schnell im großen Zeltsack verstaut werden kann. Den Lunch nehmen wir gemütlich unter freiem Himmel ein und ich schlafe den größten Teil des Nachmittags genüsslich im Zelt. Ab heute sind wir Gäste bei der Expedition von Arnold Coster der uns eingeladen hat bei ihm zu bleiben. Während am Vormittag schönstes, relativ warmes Wetter geherrscht hat, wird es am Nachmittag kalt und es graupelt rechts viel. Per Funk erfahren wir, dass der andere Teil der Truppe um 13 Uhr weitgehend problemlos am East Col angekommen ist und weiter Richtung West Col weitergeht. Nach dem East Col können wird uns jedoch nicht mehr per VHF Funk erreichen. Laut Wetterbericht soll ab dem 21-22sten Mai ein Schönwetterfenster kommen. Somit bereiten wir uns gedanklich darauf vor in zwei Tagen aufzusteigen. Nun ist die Art des Steigens etwas anders. Zu dritt werden wir nun sicher keine Fixseile mehr oben verlegen und hoffen auf einen zügigen Auf- und Abstieg. Schauen wir mal was uns das Wetter mitbringt.

 

19.05.2010 Wartetag

 

Unser eigenes Basecamp existiert nicht mehr. Es liegen noch ein Paar Sachen rum, die noch nicht von den Trägern abgeholt worden sind. Das Frühstück nehmen wir bei Arnold ein, wo auch immer wieder Teilnehmer der anderen Expeditionen auftauchen um das neueste Wetter, mögliche Gipfeltage sowie die Pläne der anderen zu besprechen. Der Wetterberichtet tendiert für den 22sten für gutes Wetter mit geringen Windgeschwindigkeiten. Leider soll am Vortag, wo man sich auch schon recht hoch befinden würde der Wind bei ca. 100km/h sein. Während sich die Franzosen und Amerikaner für den 22sten direkt von Makalu La entscheiden, möchten wir am Folgetag nochmals mit Charly Gabl sprechen, der bereits um 6 Uhr früh im Büro sein wird um uns die neuesten Wetterprognose zu geben. Am Abend schauen einen Film über Nanga Parbat und einen britischen Kletterfilm.

 

20.05.2010 Wartetag

 

Nach dem Frühstück ruft Luis wieder Charly Gabl in Innsbruck an und lässt sich die neuste Wetterprognose geben. Die sagt uns für den 24sten die besten Gipfelaussichten voraus. Während für Tunç eine Zeit lang der 22ste im Schnellspurt von Lager III im Gespräch ist, ist für uns klar, dass wir morgen auf C II gehen und den Gipfel für den 24sten ins Auge fassen. Die Franzosen können wir um Mittag schon im ersten Fixseil sehen, und somit ist auch deren Absicht klar. Zuletzt entschließt sich auch Tunç für den 24sten. Ein Teilnehmer von Arnolds Gruppe steigt heute bereits auf C I auf, um seine Kollegen am Folgetag in C II zu treffen. Nach ausführlichen Diskussionsgesprächen über die Pläne, die anderen Expeditionen usw. und einem Hamburger zu Mittag können wir noch dem wunderbaren Schauspiel der Berge zuschauen, wo sich aus dem Wolken prächtige Gestalten bilden um mit mehr als 100km/h über den Gipfel des Makalu rasen. Ein gemütliches ausruhen und schlafen ist im Zelt nicht möglich, da es darin zu warm ist und immer wieder lässt eine Brise Wind den ausgezogenen Körper im Zelt frösteln. Ansonsten vertreiben wir uns die Zeit mit Pokerspielen, Schachspielen und Lesen. Morgen geht`s endlich los…….

 

Joe

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