Gipfelgang - 8485m

 

25.05.2010 Gipfelgang

Bereits beim Aufstehen merken wir dass es kalt ist. Laut Marthy sind es -45°C draußen. Wir haben ein Paar Stimmen an unserem Zelt vorbeispazieren sehen und können Stirnlampen in den Fixseilen erkennen. Jetzt heißt es schnell in die Gänge kommen und loslaufen. Ich bin als erster fertig und laufe gemütlich los, währen Alix und Luis in ca. 15 min Abstand folgen. Es ist kühl, aber ich fühle mich gut und nichts friert  - bei mir wenigstens.  Den Weg kenne ich schon von gestern und so schramme ich gemütlich die Fixeile hoch, immer wieder die Stirnlampen der Gruppenmitglieder Arnolds Gruppe in Sicht. Ich hole das erste Sauerstoff-Sherpa Gespann mit Adel ein und überhole sie kurz vor dem Ende der ersten Fixseile. Sie ist trotz Sauerstoff massiv am schnaufen. Ein Blick auf die Uhr sagt mir dass ich die bisherige strecke fast ein viertel schneller bewältigt habe als am Vortag und so mache ich eine längere Ess- und Trink Pause und nehme mir vor nun langsamer weiter zu machen, um mich für oben nicht zu verausgaben.  So steige ich langsam weiter bis ich bald die nächsten Fixseile erreiche über die ein steiler Hang überwunden wird. Nun merke ich dass meine Vorfüße nicht ganz spürbar sind und bliebe immer wieder stehen um die Schuhe zu lockern, damit die Durchblutung wieder funktioniert. So kommt mir Adel immer wieder näher, ich laufe ihr davon und sie kommt mir wieder näher. Nach dem Hang treffe ich, schon bei hellem Licht, auf Arnold, der schmerzverzerrt über seinen Fingern hängt und vorwurfsvoll seinen Sauerstoffregler anschaut, der unkontrolliert seitlich rauszischt. Er spürt die Finger bis zu den Mittelgliedern nicht und überlegt sich stark abzubrechen und abzusteigen. Die ist auch eine Crux des Sauerstoffs; verlässt man sich auf ihn und ist er plötzlich nicht da, kann dies schnelle zu Erfierungen und Schlimmeren führen. Am Ende entscheidet er sich doch weiterzusteigen. Ich steige auch weiter auf, mir machen aber meine Zehen Sorgen. Kurzerhand will ich einfach die Zehen sehen und Packe einzeln meine Füße aus. Die Zeihen sind leicht bläulich verfärbt, aber die machen auf mich den Eindruck, dass sie nicht genügend Platz haben. Also nehme ich die Heizsohle heraus, entferne die Plastiktüten und gehe „normal“ in die dicken MILLET Moonboots wieder hinein. Der Guntis ist auch dabei und empfiehlt mir abzusteigen. Ich habe da ein anderes Gefühl. Nun geht es kurz durch die Sonne bis ich in den Schatten im French Couloir gelange. Dort geht es an den Fixseilen hinauf. Das steigen wird nun zunehmend anstrengend. Ich merke dass ich massiv schnaufen muss und mache nur langsam Strecke. Auf dem Weg überhole ich Harris, den ich heute das erste mal nicht völlig fertig schnaufend sehe sondern gemütlich steigend. Welch ein Wechsel ! Aber was können einige Liter fließenden Sauerstoff auch bewirken !!! Ich überhole ihn langsam und mühe mich hinauf zum Gipfelgrat. Dieser hat noch ca. 150m Querung in sich an der ich aber schier verzweifle. Langsam kommen mir Zweifel ob ich tatsächlich auch die letzten Meterchen zum Gipfel gehen soll, oder lieber sicherheitshalber umdrehen. Es ist gerade sonst keiner da. Tunç, Arnold und die Sherpas sind am Gipfel und …haben Sauerstoff. Übernehme ich mich da nicht etwas ? Joe, bleib mal auf dem Teppich !!! Du bist kein so topfitter Überflieger!!!. Ich mache erstmal Pause und überlege, währen der Guntis aus der Tiefe auftaucht. Jetzt fühle ich mich einigermaßen sicher. Eine andere Menschenseele, theoretisch die Möglichkeit im Notfall etwas Sauerstoff zu erwischen …und v.a. jemand der da ist. Wir unterhalten uns kurz und entscheiden nun die letzten Paar Meter zum Gipfel zu gehen. Der Grat steilt sich noch kurz auf und an der Kante, wo wir den Gipfel erwarten kommen uns Arnold und Tunç entgegen, die auf den noch ca. 30hm weiter liegenden Gipfel zeigen und empfehlen nicht weiterzugehen, da der Grat schwer zu begehen sei und dies zu lange dauere. Ich bin mir jedoch sicher da schnell hinaufzukommen und so lasse ich meinen Rucksack kurz am Fixseil gehe die Paar Meter kurz zum Gipfel. Dort liegen bereits die Gebetsflaggen. Ich zücke meinen Fotoapparat und mache wahllos Bilder um die Besteigung zu dokumentieren. Guntis kommt an und wir tauschen Bilder aus. Auf Verdacht nehme ich auch das Funkgerät in die Hand und Funke herunter: Ich bin oben, bin etwas emotional aus dem Häuschen. Mir geht’s gut“ Keine Ahnung ob das einer mitbekommt …. Ich hätte zwar Lust länger oben zu bleiben und die Umgebung genießen, obwohl ich die umliegenden Berge nicht unbedingt alle identifizieren kann, aber von unten kommen zunehmend starke Windböen, die einem den Aufenthalt hier nicht unbedingt versüßen. So steigen Guntis und ich nach ca. 15 min ab. Ich sage dem Guntis noch, etwas nach mir zu schauen da ich sehr müde bin und keinen Sauerstoff dabei habe. Der Abstieg über die Fixseile ist zäh, aber man muss ja runter.

Unterhalb des Couloir sehe ich zwei Sauerstofflaschen vom Arnold vorbereitet, ich weiß nicht für wen, aber es stört mich nicht. Sobald ich etwas tiefer komme spricht mich Arnold an ob ich ihm mit der Adel helfen kann da sie nicht selber laufen könne und wohl ein Gehirnödem hat. Bei Adel angekommen stelle ich fest dass sie weder zur Person noch zur Zeit orientiert ist und nicht alleine gehen kann. Der Arnold hat ihr schon Dexamethason (Cortison)  verabreicht und ich gebe ihr noch mal 8mg als Tablette. Die Glucose-Lösung ist eingefroren. Nach einiger Zeit allerdings kann Adel etwas aufstehen und halbwegs selber am Seil runterwatscheln. Mittlerweile hat der Wind wieder aufgefrischt so dass er ca. 60-70 km/h kontinuierlich bläst. Der Abstieg ist langsam, aber es geht vorwärts, also fühle ich mich nicht schlecht. Per Funk kommt vom Harris eine Anfrage dass er im Couloir ist. Arnold teilt ihm mit abzusteigen und die auf dem Weg befindlichen Sauerstofflaschen zu benutzen. Langsam dämmert es und wir nähern uns unserem C IV. Ich hoffe tief dass Alix und Luis nicht das Zelt abgebaut haben und ich so einen Unterschlupf auf 7800m haben kann. Natürlich ist das auch ein Rettungsanker für Adel. Zuletzt steht das Zelt da, der Notfallsauerstoff mit Maske ist da und meine Matte und Schlafsack, bei deren Anblick ich mich auf die Nacht freue. Ich fange direkt an Wasser zu schmelzen und bald ist auch die Adel mit dem Arnold da. Es ist klar, dass ich da bleibe und die Adel auch. Kurzerhand rechtfertigt Arnold die Notwendigkeit hier zu bleiben mit Adels Zustand und dass er sich um sie kümmern muss. Kein Problem, das Zelt ist für drei ausgelegt, aber nur eine Matte und Schlafsack sind vorhanden. Da Adel stark erschöpft ist und die andern beiden einen Daunenanzug tragen und ich nicht, beharre ich auf meinem Schlafsack und gebe gerne Adel die Daunenmatte. Arnold und ich machen es uns auf den Rucksäcken bequem. Adel ist so neben sich dass ich ihr am liebsten eine Beruhigungstablette geben würde. Obwohl an Sauerstoff angeschlossen ist sie nur schwer mit Worten zu bändigen. Später hören wir die Stimme Guntis` vor dem Zelt, der ebenso um Einlass bittet. Wir sind aber voll und sagen das auch so. Das nächste Lager ist ca. 45 min im Abstieg, und dort kann man sich auch ausruhen. Was wir da nicht wissen ist, dass der Guntis wohl so müde ist, dass er versucht mit seinen Händen eine Schneehöhle zu buddeln … eine folgenschwerer Fehler für seine Finger.

 

Joe

Videogruß vom Makalu Gipfel hier

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